Welternährung: Neue Sorten für Anpassung an Klimawandel erforderlich

Mithilfe angepasster Sorten können klimawandelbedingte Ertragsminderungen aufgewogen und die globale Produktion sogar deutlich gesteigert werden. Die Landwirtschaft ist nicht nur einer der größten Verursacher des Klimawandels, sondern auch mit am stärksten davon betroffen. Weltweit gehören steigende Temperaturen zu den Hauptfaktoren für Ertragsminderungen. Der Agrarsektor steht daher vor der großen Herausforderung, sich an den Klimawandel anzupassen, um zukünftig die Ernährung zu sichern. Der Einsatz angepasster Sorten kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, wie ein internationales Team um den LMU Geographen Dr. Florian Zabel in einer Simulationsstudie zeigt.

Die Wissenschaftler haben für vier verschiedene Klimaszenarien simuliert, welchen Effekt der Klimawandel auf die globale Produktion von Mais, Reis, Soja und Weizen hat und welchen Einfluss die Verwendung lokal angepasster Sorten auf die Erträge hätte. Die Szenarien bilden unterschiedliche sozioökonomische Entwicklungen ab, die Temperaturanstiege zwischen 1,4 und 3,9 Grad Celsius im globalen Mittel zur Folge haben.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir uns zumindest bei moderater Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts insgesamt gut an den Klimawandel anpassen und weltweit die Erträge sogar um fast 20 Prozent steigern könnten. Dazu trägt auch bei, dass der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre für einige Nutzpflanzen einen positiven Effekt haben kann“, sagt Zabel.

Wenn die Erwärmung im Rahmen der Ziele des Pariser Kimaschutzabkommens bei unter 1,5 Grad Celsius bleibt, können gemäß der Simulationen 85 Prozent der derzeitigen Anbaufläche mit bereits bestehenden Sorten optimal bewirtschaftet werden.

Je stärker die Erwärmung ausfällt, desto mehr neue Sorten werden benötigt und desto höher ist auch das Risiko, dass keine lokal angepasste Sorte zur Verfügung steht. „Im Szenario mit der stärksten Erwärmung würden wir auf bis zu 40 Prozent der globalen Anbaufläche neue Sorten benötigen, die teilweise Eigenschaften aufweisen müssten, die es heute noch nicht gibt“, sagt Zabel. Brisant ist dabei, dass dies auch einige hochintensive Anbauregionen betrifft wie beispielsweise den amerikanischen Corn Belt, das weltweit wichtigste Anbaugebiet für Mais, wo bereits heute fast ausschließlich spezifisch gezüchtete Hybridsorten kultiviert werden.

„Zudem gibt es einige Regionen, in denen eine Sortenanpassung zum Beispiel aufgrund von zukünftiger Trockenheit nicht möglich sein wird“, sagt Zabel. Die Simulationen berücksichtigen lokale und regionale Effekte des Klimawandels und ermöglichen es somit zu zeigen, in welchen Regionen die Sortenanpassung besonders effektiv sein könnte. Besonders hohe Ertragszuwächse können durch angepasste Sorten zum Beispiel in Teilen von Europa, China und Russland erreicht werden. In anderen Regionen, in denen in Zukunft zum Beispiel durch einen Rückgang der Niederschläge zu wenig Wasser für die Nutzpflanzen verfügbar ist, erzielt die Sortenanpassung dagegen voraussichtlich keine oder nur eine geringe Wirkung. Dazu gehören beispielsweise die Türkei, Nordostbrasilien, Texas, Kenia oder Teile Indiens.

Als eine mögliche Lösung bieten sich neue, effizientere Methoden in der Pflanzenzucht an. „Weil konventionelle Züchtungsmethoden teilweise viele Jahre in Anspruch nehmen, könnten neue Methoden wie CRISPR/Cas dazu beitragen, die in der Zukunft benötigten Sorten schneller und zielgerichtet so zu entwickeln, dass diese spezifisch an die lokalen Gegebenheiten angepasst sind“, so Zabel.

Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Studie in der Fachzeitschrift Global Change Biology. An der Arbeit waren neben den LMU-Forschern auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der Technischen Universität München und des Karlsruher Instituts für Technologie sowie Forschende der Columbia University in the City of New York (USA), der University of Chicago (USA), der Université de Liège (Belgien), des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (Österreich), der China Agricultural University (China), der University of Birmingham (Großbritannien) und der Universität Lund (Schweden) beteiligt.

Lesen Sie hier die Nachricht der LMU vom 17.05.2021.