Eichenprozessionsspinner

Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) breitete sich in Rheinland-Pfalz (wie auch in anderen Bundesländern) in den letzten Jahren weiter aus (Sobczyk 2014). Als mögliche Ursache für die stärkere Ausbreitung dieser wärmeliebenden Falterart wird unter anderem der Klimawandel diskutiert. Massenvorkommen in Wäldern treten in der Regel nur alle paar Jahre auf, können dann aber beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Daneben besiedeln die Raupen des Eichenprozessionsspinners auch Bäume in Siedlungsbereichen, wodurch Aspekte des Gesundheitsschutzes in den Vordergrund treten. Die Haare der Raupen können schwere Hautreaktionen bei Mensch und Tier verursachen. Sie bleiben in den Gespinsten hängen, werden aber auch über weite Strecken mit dem Wind verteilt. Der Umkreis von 100 m um das Gespinst gilt als besonders gefährdet. Krankheitssymptome werden durch das Eindringen des Haares wie auch durch eine chemische Reaktion hervorgerufen.

Zur Vermeidung gesundheitlicher Probleme in der Bevölkerung sind im urbanen Raum zumeist Bekämpfungsmaßnahmen angebracht. Dafür können biologische und chemische Mittel nach Biozidrecht zur Anwendung kommen (empfohlen wird derzeit das biologische Mittel Bacillus thuringiensis subsp. kurstaki) oder die Nester werden möglichst vollständig abgesaugt, um die Ausbreitung der Raupenhaare zu verhindern. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, hängt dabei stark von dem aktuellen Entwicklungsstadium der Raupen ab. So sind beispielsweise zu Anfang der Entwicklungszeit Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln oder Biozidprodukten sinnvoll, da diese über den Blattfraß durch die Raupen aufgenommen werden. Mit Vollendung des dritten Larvenstadiums ist dies jedoch nicht mehr effektiv und die mechanische Regulierung kann sinnvoll sein. Jedoch ist eine vollständige mechanische Entfernung aller Raupen zumeist erst möglich, wenn sich die Raupen in den Gespinsten verpuppen. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) überwacht die Entwicklung der Raupen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und im Stadtgebiet Freiburg. Auf Basis dieses Monitorings werden im Verlauf des Jahres regelmäßig Hinweise zum aktuellen Entwicklungszustand und entsprechende Handlungsempfehlungen herausgegeben. Zwar kann die Entwicklungszeit regional in Abhängigkeit der Mitteltemperaturen von den beobachteten Standorten abweichen, dennoch gibt das Monitoring eine ungefähre Orientierung, welche Bekämpfungsmaßnahmen gerade angebracht sind. Die Hinweise sind auf der Homepage der FVA im Bereich Waldschutz abrufbar.

 

Hintergrundinformationen

Der Eichenprozessionsspinner (EPS) ist ein unscheinbarer Nachtfalter von bis zu 35 mm Flügelspannbreite mit graubraun gefärbten Flügeln. Die Flugzeit von Ende Juni bis Ende September dient fast ausschließlich der Vermehrung. Die Falter verfügen über keinen Saugrüssel und können keine Nahrung aufnehmen; ihre Lebenszeit ist daher auf 1-2 Tage beschränkt. Die Eier (bis zu 300 pro Gelege) werden bevorzugt an belaubten Eichen an sonnigen Standorten abgelegt. Die Raupen entwickeln sich vor dem Winter in den Eiern, der Schlupf erfolgt wahrscheinlich temperaturgesteuert zumeist zwischen Anfang April und Anfang Mai. Zur Verpuppung und zur Nahrungssuche sind die Raupen meist nachts aktiv, in Prozessionen wandern sie entlang der Äste und zu benachbarten Bäumen. Nach (vermutlich) sechs Raupenstadien verpuppen sie sich in den Gespinsten im Kronenraum. Die Puppenruhe dauert 3-5 Wochen.

 

Umfrage in Rheinland-Pfalz

Nach mündlichen und Pressemitteilungen kommt der Falter in rheinland-pfälzischen Siedlungsbereichen häufiger vor, als bisher angenommen. Eine Erfassung der Vorkommen und Darstellung der Ausbreitungstendenz gibt es in Rheinland-Pfalz nur auf Forstamtsebene. Um einen Überblick über die aktuelle Verbreitung zu erhalten, hat das Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie 2017 eine Umfrage durchgeführt. Diese richtete sich zunächst an alle Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz. Da keine Meldepflicht für Erkrankungen durch den Eichenprozessionsspinner besteht, wurde die Umfrage auf Ordnungsämter, Grünflächenämter und weitere Ämter ausgeweitet sowie auf Meldungen des Landesbetriebs Mobilität (Autobahn- und Straßenmeistereien). Neben dem Vorkommen wurden auch gesundheitliche Probleme erfragt. Einzelne Rückmeldungen schildern z.T. erhebliche Probleme bei der Bekämpfung, in anderen Fällen scheinen bereits durchgeführte Bekämpfungsmaßnahmen an Einzelfunden erfolgreich zu sein.

 

Das Julius-Kühn-Institut (JKI) hat 2013 eine Verbreitungskarte des EPS in Zusammenarbeit mit den Forstlichen Versuchsanstalten bzw. den Waldschutz-Dienststellen der Bundesländer erstellt (https://www.julius-kuehn.de/gf/eichenprozessionsspinner/). Für Rheinland-Pfalz sind darin alle südöstlichen Landkreise gekennzeichnet mit der nördlichen Grenze entlang Landkreis Kaiserslautern, Donnersbergkreis, Alzey-Worms, Mainz-Bingen.

 

Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage von 2017 zeigt gegenüber der Darstellung des JKI, dass sich das Verbreitungsgebiet deutlich nach Norden ausgeweitet hat. Zu den bekannten Vorkommen der südöstlichen Landkreise sind nun auch die Landkreise Kusel, Birkenfeld, Bad Kreuznach, Rhein-Hunsrück-Kreis und der Rhein-Lahn-Kreis hinzugekommen. Darüber hinaus gab es 2015-2017 ein sehr starkes Auftreten in der Stadt Trier. 

Einige Rückmeldungen enthielten auch Angaben zu Symptomen nach Kontakt mit den Nestern. Gemeldet wurden vor allem Hautausschläge zumeist mit Juckreiz (Bezeichnungen: Allergien, Hautentzündungen, Hautausschlag, Hautrötung, Quaddeln, Bläschen, Pusteln, Hautbrennen) an der Kontaktstelle oder am ganzen Körper. Weiterhin wurden vereinzelt Kreislaufprobleme, Atemnot und Fieber gemeldet.

 
 

Mögliche Ursachen der zunehmenden Verbreitung und starken Vermehrung

Die Gründe der zunehmenden Verbreitung sind bisher noch nicht eindeutig geklärt. Häufig wird der Klimawandel als Ursache diskutiert, da Massenvermehrungen insbesondere unter warm-trockenen Bedingungen stattfinden. Ob es sich jedoch um tatsächliche Ausbreitung handelt oder um eine verstärkte Vermehrung von etablierten Vorkommen unterhalb der Nachweisgrenze ist strittig. Sobczyk (2014) schlussfolgert aus seinen eigenen Auswertungen, dass die nördliche und östliche Verbreitungsgrenze des EPS in Deutschland im Wesentlichen bereits vor 100 Jahren erreicht war, eine vermeintlich stärkere Ausbreitung daher nicht klimawandelbedingt erfolgt ist.

Massenvermehrungen scheinen bereits seit Jahrhunderten zur Populationsdynamik des EPS zu gehören. Der Grund für die höhere Nachweisdichte und -häufigkeit in den letzten Jahrzehnten ist unklar. Ei- und Puppenstadien sind nur in geringem Maße abhängig von klimatischen Einflüssen. Extremereignisse (Tornado, Sturm, Hagel, Starkregen) können sich negativ auf den Falterflug auswirken, jedoch steht dafür nur eine sehr kurze Zeitspanne von wenigen Tagen (Lebenszeit der adulten Falter) zur Verfügung. Da die Larvalentwicklung (Raupenstadien) von warm-trockenem Klima profitiert, ist der Klimawandel als Faktor für höhere Bestandsdichte nicht auszuschließen. Durch die vermutlich temperaturgesteuerte Schlupfzeit der Raupen kann die phänologische Verschiebung des Frühjahrs zu einer Entkopplung Schlupf-Nahrungsangebot führen, wenn der Eichenblattaustrieb sich nicht im gleichen Maße verschiebt wie der Raupenschlupf. Weiterhin kann sich gegebenenfalls eine veränderte Prädatorendichte (z.B. Pilze, Viren, Schlupfwespen, Raupenfliegen, Vögel, Fledermäuse) auswirken.

Klapwijk et al. (2013) zeigen nach der Auswertung ungarischer Daten von 1960-2010 eine negative Korrelation des Befalls mit hohen März-Temperaturen. Sie vermuten die Ursache in zeitlicher Entkopplung von Schlupf und Eichenblattaustrieb. Hohe April- und Juli-Temperaturen waren dagegen positiv mit Befall korreliert. Feicht & Weber (2012) stellen negative Wirkungen äußerer klimatischer Einflüsse auf die Population des EPS an den Jahren 2009-2012 in Bayern dar: Schlupf erfolgte vor Blattaustrieb (Verhungern der Raupen), heftige Regengüsse und Winde im August (Abreißen von Nestern, Verfaulen), Spätfrost (Raupen erfrieren). Die Autoren der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF Bayern) weisen weiterhin darauf hin, dass eine Vielzahl von Faktoren die Ausprägung von Gradationen von Schadinsekten bestimmen. Daher betonen sie: "Deshalb ist es im Zuge des Klimawandels für ein erfolgreiches Schädlingsmanagement besonders wichtig, … für … Forstinsekten … umfangreiche Kenntnisse über deren Ansprüche an ihren natürlichen Lebensraum zu erarbeiten. Dies erfordert kontinuierliche Beobachtungen über längere Zeiträume, die alle Gradationsphasen umfassen."

Weiterhin wird diskutiert, inwiefern waldbauliche Maßnahmen eine Gradation des EPS fördern können. Vermutet wird ein Zusammenhang zwischen der Entnahme der Unterschicht in Mittelwäldern und einer stärkeren Bestandsdichte des Falters durch Schaffung eines für den Falter günstigen Mikroklimas.
 

 

Quellen

  • Sobczyk, T. (2014): Der Eichenprozessionsspinner in Deutschland. Historie – Biologie – Gefahren – Bekämpfung. BfN-Skripten 365
  • Klapwijk, M.; Csóka, G.; Hirka; A.; Björkman, C. (2013) Forest insects and climate change: long-term trends in herbivore damage. Ecol. Evol. 3 (12):4183-4196
  • Feicht, E. & Weber, M. (2012): Verbreitung und Populationsdynamik des Eichenprozessionsspinners. LWF aktuell 88-12