Ablauf des Coachings im Landkreis Germersheim

Das Coaching zur Klimawandelanpassung wurde im Landkreis Germersheim im Mai 2018 im Rahmen einer Initialrunde mit Vertretern aus Verwaltung, Politik und Projektverantwortlichen gestartet. Am 30.05.2018 folgte eine Vorstellung auf der Fachbereichsleiterbesprechung. Nach der Erfassung und Bewertung der klimatischen Ausgangssituation (Vergangenheit, Ist-Zustand, Zukunft) und einer Betroffenheits- und Gefährdungsabschätzung (Vulnerabilitätsanalyse) durch den KlimawandelanpassungsCOACH erfolgte am 09.08.2018 der 1. Workshop zur Klimawandelanpassung (13 Teilnehmer). Der Workshop wurde in 2 Sessions aufgeteilt. Die erste Session beinhaltete die DAS-Handlungsfelder menschliche Gesundheit (Senioren), Bauwesen sowie Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Die zweite Session behandelte die Themenfelder Landwirtschaft, Umwelt, Boden sowie Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Als Teilnehmer waren Akteure aus der Verwaltung, Politik und Projektverantwortliche vertreten. Folgende Maßnahmenvorschläge zur Klimaanpassung wurden im gemeinsamen Dialog erarbeitet.

 
Nr.KlimawandelanpassungsmaßnahmeHandlungsfeld
1Erstellung eines Gründachkatasters zur Beschreibung der Dachbegrünungspotentiale öffentlicher und privater Gebäude im LandkreisBauleitplanung & Bauwesen
2Sensibilisierung von Einsatzkräften, Rettungsdiensten und Hausärzten zur zunehmenden Gefährdung der menschlichen Gesundheit im Klimawandel durch neue Tier- und Pflanzenarten (Ausbreitung von Vektoren für Arboviren, allergene Pflanzen und Tiere)Menschliche Gesundheit & Bevölkerungs- und Katastrophenschutz
3Auswahl eines ausgewählten Quartiers und/oder Gebäudes der Stadt Germersheim zur Bewerbung als Best-Practice-Beispiel Klimaanpassungübergeordnet / Bauwesen
4Klimaanpassungsmanagement (Institutionalisierung) / Sensibilisierung der Mitarbeiterübergeordnet
5Entwicklung einer Kreis-App mit Hintergründen zum Klimawandel und wichtigen klimawandelrelevanten Themen für den Bürgerübergeordnet
6Öffentlichkeitskampagne Klimaanpassung (Verhaltensempfehlungen bei Hitze und Trockenheit)Menschliche Gesundheit & Bevölkerungs- und Katastrophenschutz
7Klimaangepasstes Bauen in kommunalen Liegenschaften (Stichwort: Hitze)Forstwirtschaft
8Klimaanpassungsmanagement (Institutionalisierung)Menschliche Gesundheit, Bauwesen, Regional- und Bauleitplanung
 



 

Im Anschluss an den Workshop erfolgte eine Ausarbeitung der Klimaanpassungsmaßnahmen in detaillierten Maßnahmen-Steckbriefen durch den KlimawandelAnpassungsCOACH und Teilnehmern des Workshops.

Am 23.01.2019 erfolgte eine von den Kreisverwaltungen Germersheim, Südliche Weinstraße und Bad Dürkheim initiierte  Informationsveranstaltung zum Thema: Mückenübertragene Infektionskrankheiten in Deutschland – Arbovirosen in Rheinland-Pfalz. Somit konnte Maßnahme 2 "Sensibilisierung von Einsatzkräften, Rettungsdiensten und Hausärzten zur zunehmenden Gefährdung der menschlichen Gesundheit im Klimawandel durch neue Tier- und Pflanzenarten (Ausbreitung von Vektoren für Arboviren,  allergene Pflanzen und Tiere)" durch die Kreisverwaltung Germersheim bereits umgesetzt werden.


 

 

Landkreis Germersheim

Der Landkreis Germersheim liegt im Südosten der Vorderpfalz. Der Landkreis setzt sich aus sechs Verbandsgemeinden und zwei verbandsfreien Gemeinden zusammen. Auf einer Fläche 463 qkm leben ca. 128.500 Menschen. Die Kreisverwaltung hat ihren Sitz in Germersheim.

Die Vorderpfalz ist Teil der Nördlichen Oberrheinischen Tiefebene und wird vom Rhein im Osten und dem Haardtrand im Westen begrenzt. Die Vorderpfalz gliedert sich in das Hügelland an der Weinstraße, die eigentliche Rheinebene und die Rheinniederung. Die Rheinniederung ist der Bereich, in dem der Rhein seine Flussläufe hatte, ehe er im 19. Jahrhundert reguliert wurde. Der Übergang ist teilweise deutlich als Hochufer von bis zu 7 m Höhe zu erkennen. In der Rheinniederung wird an vielen Stellen Kies oder Sand abgebaut, wodurch zahlreiche Baggerseen entstanden sind bzw. Altrheinarme vergrößert wurden. Im südlichen Teil der Vorderpfalz finden sich auf Schwemmfächern zwischen dem Pfälzerwald und der Rheinniederung größere Waldflächen. Hier eignen sich die überwiegend sandigen Böden nicht für den Ackerbau. Dem gegenüber findet auf den fruchtbaren Lössböden der Rheinebene eine intensive landwirtschaftliche Nutzung statt, welche vorwiegend aus Gemüse- und Hackfruchtanbau besteht.

Die Vorderpfalz gehört zu den Regionen mit den mildesten Wintern und den wärmsten Sommern in Deutschland bei geringen bis mäßigen Niederschlägen. Die mittleren Jahresdurchschnittstemperaturen erreichen zwischen 9 und um 11 °C; im wärmsten Monat Juli liegen die Durchschnittswerte um oder sogar knapp über 20 °C. Ursache dafür sind häufige Südwest-Wetterlagen mit Luftmassen aus dem westlichen Mittelmeerraum. Die Niederschläge betragen dagegen nur zwischen 490 und 850 mm. Viele landwirtschaftliche Flächen müssen daher bewässert werden.
 

 

Entwicklungen des Klimas im Landkreis Germersheim bis heute

Die Jahresdurchschnittstemperatur im Raum Germersheim lag für den 30-jährigen Bezugszeitraum 1971-2000 bei 10,5 °C und im jüngsten 30-jährigen Mittel 1989-2018 bereits bei 11,3 °C. Die Abbildung zeigt einen deutlichen Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen seit 1881 bis heute mit einer deutlichen Verstärkung seit den 1990er Jahren. Die 5 wärmsten Jahre wurden alle nach dem Jahr 1990 gemessen und verdeutlichen den rasanten Anstieg der Temperaturentwicklung. Das wärmste je gemessene Jahr ist 2018 mit einer mittleren Jahrestemperatur von 12,6 °C.

 

Der mittlere Jahresniederschlag liegt im Landkreis Germersheim im 30-jährigen Bezugszeitraum 1971-2000 bei 734 mm. Er zeigt im Zeitraum 1881 bis heute eine ausgeprägte annuelle Variabilität ohne signifikante Zu- bzw. Abnahme der Niederschläge. Die 5 trockensten und 5 feuchtesten Jahre sind uneinheitlich über den gesamten Messzeitraum verteilt. Der hydrologische Sommer (Mai bis Oktober) zeigt keinen Trend, der hydrologische Winter (November bis April) eine leichte Zunahme der Niederschläge seit 1881.

 

Die klimatologischen Kenntage  weisen eine deutliche Zunahme an Sommer- (Tmax ≥ 25 °C; +18 Tage) und Hitzetagen (Tmax ≥ 30 °C; +8 Tage) sowie eine Abnahme an Frost- (Tmin < 0 °C, -14 Tage) und Eistagen (Tmax < 0 °C; -6 Tage) zwischen den 30-jährigen Mitteln 1951-1980 und 1989-2018 auf.

 

Zukünftige klimatische Entwicklung im Naturraum Oberrheintiefland (Vorderpfalz)

Für die Darstellung der zukünftigen Klimaentwicklung wurde der Naturraum Vorderpfalz (Oberrheintiefland) gewählt, da dieser für das Gebiet des Landkreises repräsentativ ist. Für den Naturraum Oberrheintiefland zeigen die Klimaprojektionen einen Temperaturanstieg von 3,8 bis 6,0 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit, sofern die Emissionen auf dem derzeitigen Pfad bleiben und wir global keine Fortschritte beim Klimaschutz erzielen (Worst Case Szenario; RCP 8.5). Bei einem Klimawandel „mittlerer Stärke“ (RCP 4.5) würde der Temperaturanstieg immer noch zwischen 2,3 und 4,0 °C betragen. Die  steigenden Temperaturen zeigen sich zu allen Jahreszeiten.

 

Bei den mittleren Jahresniederschlägen wird von einem Großteil der Klimamodelle eine leichte Zunahme projiziert. Die Niederschlagsänderung liegt je nach Modell zwischen 0 und +25 % für den Zeitraum 2071- 2100 gegenüber dem Bezugszeitraum 1971-2000.  

 

Die Änderungssignale des Niederschlags für die hydrologischen Halbjahre zeigen ein differenzierteres Bild. Der hydrologische Sommer (Mai bis Oktober) zeigt keine signifikante Änderung des Niederschlags bis zum Ende des Jahrhunderts (-10 bis +20 %). Im hydrologischen Winter hingegen (November bis April) wird eine Niederschlagszunahme von 5 bis 35 % für den Zeitraum 2071-2100 gegenüber dem Referenzzeitraum 1971-2000 projiziert. Beide Emissionsszenarien führen in Zukunft zu einer weiteren Zunahme an Sommer- und Hitzetagen sowie einer weiteren Abnahme an Frost- und Eistagen.

Weitere Informationen zum Klima finden Sie in "Daten und Fakten" bei Auswahl der Region "Oberrheintiefland (Vorderpfalz)".
 

 

Vulnerabilitätsanalyse

Die Betroffenheit (Verwundbarkeit) gegenüber den Folgen des Klimawandels ist im Landkreis Germersheim als mäßig hoch einzuschätzen. Der Landkreis zeigt eine besondere Vulnerabilität gegenüber Hitze und Hochwasser. Starkregen und Bodenerosion treten seltener als in anderen Regionen in Rheinland-Pfalz auf.

 

Starkniederschläge, Hochwasser und Sturzfluten

Bei Starkregen fallen große Niederschlagsmengen in kurzer Zeit, oftmals in Verbindung mit konvektiven Ereignissen. Starkregen kann zu schnell ansteigenden Wasserständen und zu Überschwemmung führen, häufig einhergehend mit Sturzfluten und Bodenerosion. Die systematische Erfassung solcher Ereignisse ist aufgrund ihrer oftmals kleinräumigen Ausdehnung nur mit flächendeckenden und zeitlich hochaufgelösten Messungen möglich. Mit der Einführung der flächendeckenden Niederschlagserfassung durch Radar ist dies seit Beginn des 21. Jahrhunderts möglich.

Als Starkniederschlag werden im Kontext der nachfolgenden Analysen Regensummen > 20 mm/d bzw. 25 mm/h oder 35 mm/6h definiert (DWD). Der Landkreis Germersheim befindet sich in einem Bereich mit geringer Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Starkregen. Die hier zugrunde gelegten Radardaten reichen nur bis in das Jahr 2001 zurück und sind daher hinsichtlich statistischer Auswertungen zu kurz. Zur großräumigen Identifikation von Risikogebieten können diese Daten jedoch bereits herangezogen werden.   

 

Im Mittel treten im Landkreis Germersheim 5 Starkregenereignisse > 20 mm im Jahr auf. Im Zeitraum 1951 bis heute zeigen Starkniederschläge keine wesentlichen Änderungen im Auftreten. Jedoch sind Tagessummen der Niederschläge für die Auswertung nur bedingt geeignet. Jahre mit wenigen Starkregenereignissen können negativere Folgewirkungen aufweisen als Jahre mit höherer Anzahl an Starkregen. Die Intensität der Einzelereignisse ist hier von besonderer Relevanz. Bei Eintreten der zugrunde gelegten Klimaprojektionen ist davon auszugehen, dass Starkregen in Zukunft häufiger und intensiver auftreten werden.

 

 

Das Thema Hochwasser wird im Folgenden nur kurz abgehandelt, da dieses nicht Schwerpunktthema des Coachings war. Hochwasser wird der Zustand von Gewässern genannt, bei dem ihr Wasserstand deutlich über dem Pegelstand ihres Mittelwassers liegt. Neben Starkniederschlägen können lang andauernde Tiefdruckwetterlagen und/oder Tauwetter zu einem starken Ansteigen der Flüsse und damit zu Hochwasser führen. Im Folgenden wird ein Hochwasser mit 10 bzw. 25-jähriger Wiederkehrrate (HQ10) für Gewässer der 1. und 2. Ordnung gezeigt.

 

Die beiden folgenden Risikokarten zeigen die jeweilige Überflutungshöhe bei einem Hochwasser HQextrem als Übersicht für den Landkreis (links) und als Ausschnitt für die Stadt Germersheim (rechts) für Gewässer 1. und 2. Ordnung. Die Abbildung rechts verdeutlicht eine besondere Gefährdung der entsprechenden Siedlungsbereiche bei extremem Hochwasser. Die hier dargestellten und weitere Online-Karten sind kostenfrei verfügbar (siehe: https://hochwassermanagement.rlp-umwelt.de/servlet/is/8662).

 

Bodenerosion

Eine Folge des Klimawandels im Bereich der landwirtschaftlichen Bodennutzung ist die Veränderung des Risikos von Bodenerosion durch Wasser. Bodenerosion gilt als eine der Hauptgefahren für den Erhalt der Bodenfunktionen und somit auch für die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit. Neben den Schäden durch den Verlust des Oberbodens auf der Erosionsfläche müssen weitere Folgeschäden beachtet werden. Hierzu zählen Hochwasserschäden, Ablagerungen des abgeschwemmten Bodens auf Verkehrs- und Siedlungsflächen, beeinträchtigte und dysfunktionale Kanalsysteme und Eutrophierung durch Nährstoffeinträge in Gewässer oder benachbarte Systeme. Die Verschlammung von Gewässern durch den erosionsbedingten Eintrag von Feinmaterial kann den aquatischen Lebensraum und die Gewässerökologie schädigen.

Im Raum Germersheim besteht aufgrund der überwiegend flachen Topographie meist keine bis eine geringe Gefährdung durch Bodenerosion und ihre Folgeschäden. Besondere Gefährdungsbereiche für Bodenerosion sind in den Gemarkungen Freisbach, Weingarten, Rülzheim, Minfeld, Barbelroth und Freckenfeld auszumachen.
 

 

Hitze

Hitze stellt eine starke Belastung für den menschlichen Organismus dar. Sehr junge und ältere Menschen sind besonders betroffen, da ihr Organismus noch nicht oder nicht mehr ausreichend auf die Belastung reagieren kann. Ein "Hitzetag" oder "Heißer Tag" ist ein Tag, an dem das Maximum der Lufttemperatur mindestens 30 °C beträgt.
Im Landkreis Germersheim besteht ein deutlicher Trend hin zu häufigerer und intensiverer Hitze. Begünstigt wird die Ausbildung von Hitze im Landkreis Germersheim durch die naturräumlichen Gegebenheiten (starke Überwärmung des Oberrheingrabens).

Im Mittel wird im Landkreis Germersheim an 12 Tagen im Jahr Hitze registriert. In Hitzesommern, wie 2003, 2015 oder 2018, übersteigt die Anzahl der Hitzetage das Mittel jedoch um ein Vielfaches, so wurden bspw. 2018 32 Hitzetage registriert, 2015 waren es 30 Tage und im Hitzesommer 2003 sogar 40 Tage. Eine Häufung an Hitzetagen(-perioden) zeigt sich im Raum Germersheim insbesondere seit den 2000er Jahren.

 

Bei ausbleibender nächtlicher Auskühlung spricht man von einer "Tropennacht" (Temperatur sinkt nicht unter 20 °C). Gerade dies führt zu einer starken Belastung des menschlichen Organismus. Die Anzahl an Tropennächten ist im Raum Germersheim sehr verschieden und stark von nächtlicher Abkühlung abhängig. Tropennächte kommen insbesondere in stark überwärmten städtischen Strukturen vor (bspw. Wörth, Kandel, Germersheim). Für die Zukunft ist von einer deutlichen Zunahme an Hitzetagen, Hitzeperioden und Tropennächten in Germersheim auszugehen.