Klimarisiken im Cluster Gesundheit

Der Folgende Text ist eine Zusammenfassung der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland für das Cluster Gesundheit 

Die Klimawirkungsanalyse und Risikoanalyse wird alle 6 Jahre, im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS), von der Bundesregierung in Auftrag gegeben. Ziel des Berichtes ist es, eine Grundlage für die Weiterentwicklung und Anpassung in Deutschland bereitzustellen, beispielsweise für die Entwicklung der Aktionspläne Anpassung der Bundesregierung. Thematisch ist die Analyse in verschiedene Klimawirkungen untergliedert. Die Handlungsfelder sind Industrie und Gewerbe, Tourismuswirtschaft und die menschliche Gesundheit. Der folgende Abschnitt fasst die Ergebnisse der Risikoanalyse für das Handlungsfeld Menschliche Gesundheit zusammen. Es wird je ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario betrachtet. Im optimistischen Fall wird ein Pfad betrachtet, der im Vergleich zu anderen mit weniger negativen Klimawirkungen verbunden ist sowie günstigere Szenarienkombinationen vorweist. Der pessimistische Fall spiegelt demnach ungünstige Szenarien mit höheren Risiken und geringeren Chancen wieder. Die betrachteten Zeitperioden für die je ein optimistischer und ein pessimistischer Fall angeschaut werden sind 2031 bis 2060 sowie 2071 bis 2100.

Hitzebelastung

Besonders für Menschen mit Vorerkrankungen und sensitive Bevölkerungsgruppen sind starke Temperaturerhöhungen gefährlich, aber auch extrinsische Faktoren, wie z. B. geringes Einkommen oder kulturelle Integration, spielen eine Rolle. Gleichzeitig nehmen Häufigkeit, Dauer und Intensität von Hitzewellen zu. Acht der elf wärmsten Jahre traten im Zeitraum von 2000-2018 auf und auch die Klimaprojektionen des IPCC-Treibhausszenarios schätzen die Eintrittswahrscheinlichkeit von Hitzeperioden Ende des Jahrhunderts mehr als doppelt so hoch ein. Es ist möglich, dass die Hitzeperioden demnach 30 % länger andauern. Folge der Hitze können unter anderem Herz- und Gefäßerkrankungen, Atemwegserkrankungen, rheumatische Beschwerden etc. sein. Hält die Hitzebelastung mehr als drei Tage an, kann sie zum Tod führen (Zacharias und Koppe 2015). Auch psychische Erkrankungen sind möglich (Nitschke et al. 2007). Im pessimistischsten Fall würde schon bis Mitte des Jahrhunderts die Dauer der Hitzeperioden zunehmen. Auch für das Ende des Jahrhunderts zeichnet sich eine deutliche Zunahme der Dauer sowie der mittleren Anzahl der Hitzeperioden pro Jahr ab. Anpassungen könnten zum Beispiel überarbeitete Arbeitsschutzmaßnahmen, verbesserte Frühwarnsysteme oder auch zielgruppenspezifische Informationen darstellen. Ohne Anpassung würde das Risiko pessimistisch betrachtet sowohl in der Zeitperiode 2031-2016 als auch 2071-2100 als hoch eingestuft werden. Optimistisch betrachtet wäre das Risiko eher im mittleren Bereich. Aber auch heute schon wurde das Risiko durch Hitze als hoch eingestuft.

Allergische Reaktionen durch Aeroallergene pflanzlicher Herkunft

Allergien sind die am häufigsten vorkommenden chronischen Erkrankungen in Deutschland und Europa (Simoleit et al. 2016, Traidl-Hoffmann 2018). Der Klimawandel beeinflusst hier vor allem den Beginn und die Dauer des Pollenflugs sowie die Pollenmenge und -allergenität. Auch das Wachstum allergener Pflanzen kann der Klimawandel fördern. Ein wichtiger Einflussfaktor ist die Lufttemperatur. So kann es sein, dass von einem Jahr zum darauf folgenden die Pollensaison nahtlos in die andere übergeht, da der Klimawandel die Vegetationsperiode verlängert. Besonders für Menschen mit multiplen Pollenallergien stellt dies ein Risiko dar. Durch das steigende CO2 könnte ein Düngeeffekt auftreten, bei der die Pollenmenge zusätzlich steigen würde (Gömann et al. 2017). Auch Luftschadstoffe verstärken Heuschnupfensymptome und allergisches Asthma durch eine Reizung der Schleimhäute. Für beide Zeitperioden wäre das Risiko im optimistischen Fall bereits mittel, im pessimistischen hoch. So könnte Ende des Jahrhunderts, die Vegetationsperiode bereits 17-22 Tage früher beginnen.  

Potentiell schädliche Mikroorganismen und Algen

Durch höhere Temperaturen werden Mikroorganismen (z. B. Cyanobakterien) und Algen in ihrem Wachstum und in ihrer Vermehrung begünstigt. Im Bericht wurde sich auf die Bakterien der Gattung Vibrio fokussiert, welche unter anderem Auslöser der Cholera sind. Mögliche Infektionswege bestehen über den Verzehr von rohen Meeresfrüchten oder den Kontakt über Wunden mit Meer- oder Brackwasser. Zudem spielt der Salzgehalt eine Rolle für das Überleben der Vibrio. Ist der Salzgehalt hoch, verringert sich das Vorkommen. Es ist davon auszugehen, dass bei den zunehmend heißen Sommern das Vorkommen in Nord- und Ostsee steigt. Für Ende des Jahrhunderts würde das bedeuten, dass der kombinierte ideale Wert aus Salinität und Wassertemperatur ca. 2 Wochen früher erreicht wäre.

UV-bedingte Gesundheitsschädigungen (insbesondere Hautkrebs)

Ultraviolette (UV-)Strahlung führt zu schwerwiegenden Erkrankungen der Haut und der Augen. Vor allem erhöht UV-Strahlung das Hautkrebsrisiko. In Deutschland sind 2015 290.000 Menschen an Hautkrebs erkrankt und 4000 Menschen jährlich verstorben (GEKID 2017). Neuerkrankungen haben sich in Deutschland seit 2000 mehr als verdoppelt (BfS 2019). Projektionen lassen erwarten, dass die UV-B-Strahlung zwischen 2050 und 2100 je Jahrzehnt um 1,3 % zunimmt. Infolge der Treibhausgase wird die Wolkendecke pro Jahrzehnt zudem um 1,4 % verringert. Nach dem optimistischen Szenario für ist Ende des Jahrhunderts ein mittleres Risiko anzunehmen. Für die pessimistischen Szenarien wären sie jedoch bei hohem Risiko. Anpassungsoptionen umfassen vor allem die Verbesserung von Warnsystemen, wie zum Beispiel die breite Einführung eines UV-Index.
Verbreitung und Abundanzveränderungen von möglichen Vektoren
Vektoren sind Organismen, die Krankheitserreger übertragen können. In Deutschland spielen vor allem Schildzecken und kleine Säugetiere (Nagetiere) eine Rolle. Aber auch neue Stechmückenarten, wie die Asiatische Tigermücke, sind relevant. Zecken übertragen beispielsweise FSME, wohingegen bestimmte Mäusearten Arten das Hantavirus übertragen können. Infektionen erfolgen vor allem über deren Kot, Speichel oder auch Urin. Das Vorkommen der Rötelmaus hängt von der Verfügbarkeit von Nahrung, vor allem der Buchenmast, ab. Wenn die Temperaturen steigen, erhöht sich die Fruktifikation der Buche und Rötelmäuse können sich im darauffolgenden Jahr besser vermehren. Steigt die Zahl der Kleinnager nach Mastjahren an, stehen auch Zecken wie dem Gemeinen Holzbock mehr Wirtstiere zur Verfügung. Auch milde Winter begünstigen sein Vorkommen. Das momentane Risiko ohne Anpassung wird noch als gering eingestuft, könnte sich aber auf mittel erhöhen.

Atembeschwerden (aufgrund von Luftverunreinigungen)

Ca. 124.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung (Lelieveld et al. 2019). Feinstaub, Stickstoffoxide und bodennahes Ozon stellen besondere Risiken dar. Sie reizen die Schleimhäute und Atemwege und können zu Lungenentzündungen, anderen Lungenerkrankungen oder auch Herz-Kreislauferkrankungen führen. Die Windverhältnisse spielen ebenfalls eine große Rolle bei der Verteilung von Luftschadstoffen. Ist es windstill und zusätzlich warm, gibt es örtlich hohe Konzentrationen an Schadstoffen. Bis Ende des Jahrhunderts werden Stickstoffoxide, flüchtige organische Verbindungen und Feinstaub voraussichtlich abnehmen. Bodennahes Ozon kann jedoch zunehmen und somit oben genannte Krankheitsbilder vermehrt hervorrufen. Das Risiko wird überwiegend als mittel eingestuft. Im pessimistischen Fall wird es 2071-2100 als hoch eingeordnet.

Verletzungen und Todesfälle infolge von Extremwetterereignissen

In unseren Regionen sind insbesondere Temperaturextreme von Bedeutung. Überschwemmungen führen seltener zu Todesfällen, bringen aber enorme wirtschaftliche Schäden mit sich (z. B. Starkregen, Hochwasser). Laut Kundzewicz und Hattermann (2018) steigt das Risiko für Hochwasserschäden in Deutschland an. Extremwetterereignisse werden bis Mitte/Ende des Jahrhunderts an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Im pessimistischeren Fall könnten mittlere Hochwasser an einige Flüssen Deutschlands gehäufter auftreten. Winterliche Starkregenereignisse sind bereits häufiger und auch der Temperaturtrend gilt als sicher.

Auswirkungen auf das Gesundheitssystem

Bisher gibt es noch wenig Forschung auf diesem Gebiet. Trotzdem ist sicher, dass der Klimawandel und seine Folgen kurzfristig zu zusätzlichen Kosten führen wird. Etwa durch die Versorgung von Patient*innen, Aufklärungskampagnen, Anpassungen der Infrastruktur oder auch Schulung von Personal. Kempfert (2007) hat versucht, die Kosten der hitzebedingten Folgen abzuschätzen. Er schätzt sie auf 61 Milliarden bis Mitte des Jahrhunderts und im zweiten Teil des Jahrhunderts auf weitere 140 Milliarden. Langfristig können die Kosten jedoch wieder sinken (Ströver 2015), vor allem bei erfolgreich umgesetzter Prävention. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten sich neue Krankheitserreger etablieren sowie zusätzliche Allergene auftreten. Demnach würden zusätzliche Kenntnisse des medizinischen Personals nötig sein. Dies bedeutet auch, Forschung und Anpassung von Medikamenten zu fördern. Außerdem müssten z. B. Rettungskräfte oder auch ambulante Pfleger*innen für eventuelle Beeinträchtigungen der Infrastrukturen gerüstet sein (z. B. Schäden durch Extremwetterereignisse).

Quelle:

Umweltbundesamt (UBA) [Hersg.] (2021). Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland. Teilbericht 5: Risiken und Anpassung in den Clustern Wirtschaft und Gesundheit.