KlimLandRP – Modul Biodiversität

Im Rahmen des Forschungsprojektes Klima- und Landschaftswandel in Rheinland-Pfalz KlimLandRP wurden unter anderem folgende Fragestellungen zur Biodiversität untersucht:

  • Artenverbreitung – Spiegelt sich der Klimawandel bereits heute im Auftreten und der Ausbreitung von Arten wider?
  • Arealveränderung – Welche Arten werden in Zukunft Arealverschiebungen und/oder -erweiterungen erfahren?
  • Isolierte Arten – Welche Arten werden in Zukunft sehr kleine und möglicherweise auch isolierte Areale besiedeln und damit stark gefährdet sein?
 

Einwanderung und Etablierung neuer Tier- und Pflanzenarten

Die Einwanderung und Etablierung neuer Tier- und Pflanzenarten ist kein Novum in der Klimahistorie. So fanden im Zuge der nacheiszeitlichen Erwärmung, beginnend vor etwa 10.000 Jahren, vergleichbare Prozesse statt, die zum Teil noch heute andauern.

Analog deutet die seit 1950 verstärkte Einwanderung besonders wärmeliebender, mediterran verbreiteter Arten auf einen Zusammenhang mit der Erhöhung der Jahresmitteltemperaturen im letzten Jahrhundert hin. Bei mehreren Tierarten lassen sich solche Einwanderer belegen:

  • Heuschrecken (Orthoptera): Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale)
  • Bockkäfer (Cerambycidae): Getreidebock (Calamobius filum)
  • Vögel (Aves): Bienenfresser (Merops apiaster)
  • Fangschrecken (Mantidae): Gottesanbeterin (Mantis religiosa)

 

 

 

 
 

Fraglich ist bei allen einwandernden Arten, welche genauen Faktoren ihre bisherige Verbreitung bestimmt haben und welchen Einfluss Klimafaktoren auf die Arealerweiterung haben. Oft nutzen natürlich einwandernde Arten gleiche Korridore und Räume.

Als Modellart für einwandernde Tierarten eignet sich die Gottesanbeterin aufgrund ihrer Auffälligkeit und fast flächendeckenden Erfassung besonders gut. Es werden ökologische Nischenmodelle auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen gerechnet, um relevante Habitatfaktoren für die Art identifizieren zu können. Auf diese Weise lassen sich Änderungen dieser Faktoren zwischen Zeitperioden in Relation zur Verbreitung setzen. Weiterhin kann auch die Geschwindigkeit der Ausbreitung analysiert werden. Eine Projektion der zukünftigen Verbreitung ist ebenfalls möglich.

 

Welche Arten werden in Zukunft Arealverschiebungen und/oder -erweiterungen erfahren?

Die Fähigkeit von Arten, sich durch Verlagerung oder Erweiterung ihres Verbreitungsgebietes an veränderte Umweltbedingungen anzupassen, ist unter anderem von ihrer Ausbreitungsfähigkeit bzw. ihrem Bewegungsverhalten abhängig. Dies wurde bei den meisten bisherigen Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels mangels Daten zur Ausbreitungsfähigkeit vieler Arten vernachlässigt. So wurde entweder keine Ausbreitung oder eine unlimitierte Ausbreitung angenommen.

Heuschrecken sind eine hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit Umweltfaktoren gut untersuchte Tiergruppe und eignen sich daher auch für Studien zum Einfluss des Klimawandels. Mit Hilfe von Umweltdaten wurden Verbreitungsmodelle für 13 einheimische Heuschreckenarten erstellt. Diese zeichnen sich entweder durch eine hohe Bestandsgefährdung aus oder besitzen in Südwest-Deutschland eine Arealgrenze. Für alle Arten wurde – unter Verwendung von Klimaprojektionen – die zukünftige Habitateignung im Zeitraum 2041-2055 modelliert.

Bei 8 der 13 Arten hatten im Modell klimatische Faktoren mehr als 50 % Einfluss. Diese sowie deren prognostizierte Änderungen haben somit einen großen Einfluss auf die Verbreitung von Heuschreckenarten.

Wärmeliebende Arten, wie die Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus caerulans), die bisher im Untersuchungsgebiet nur an wenigen Orten vorkommen, werden einen deutlichen Zuwachs an geeigneten Lebensräumen erfahren (siehe folgende Abbildung). Aufgrund ihrer limitierten Ausbreitungsfähigkeit können die wärmeliebenden Arten aber wahrscheinlich nicht alle neuen potentiellen Lokalitäten bis 2050 besiedeln. Kälteangepasste Arten, wie die Zwitscherschrecke (Tettigonia cantans), die unter wärmeren Temperaturen veränderte Feuchtigkeitsanforderungen haben, werden hingegen mit einem drastischen Rückgang geeigneter Lebensräume konfrontiert.

 
 

Die aktuelle Verbreitung (linke Spalte der Abbildung) und die potentielle zukünftige Verbreitung (2041-2055) unter Annahme unterschiedlicher Ausbreitungsfähigkeit (2., 3. und 4. Spalte) in Südwest-Deutschland werden für drei wahrscheinlich expandierende Heuschreckenarten aufgezeigt. Schwarze Zellen zeigen die Präsenz der Art bzw. die zukünftige Verbreitung an, dunkelgraue Zellen zukünftig gut/sehr gut geeignete Habitate. Als Grundlage der zukünftigen Verbreitung dienen die Klimaprojektionen des Modells STAR2 (Szenario A1B, nass-kalte Realisation).

 

Isolierte Arten

Die überhaupt einzigen Aussagen zu zukünftigen Veränderungen der Heuschreckenfauna beruhen auf der Anwendung von Artverbreitungsmodellen oder sind Modellrechnungen zur Verteilung von Artenvielfalt bei verschiedenen Klima- und Landnutzungsszenarien.

Bisher existieren für Deutschland großräumige Verbreitungsmodelle nur für einige wenige Heuschreckenarten. Allerdings sollten die daraus errechneten Projektionen einer möglichen zukünftigen Verbreitung von Arten mit Vorsicht interpretiert werden, da diese Modelle zum Beispiel keine Faktoren auf Populationsebene berücksichtigen. Bei Annahme einer über die Zeit konstanten Bindung an Klimavariablen (Nischenkonstanz) lassen sich mit Verbreitungsmodellen trotzdem Projektionen für die mögliche zukünftige Verbreitung von Arten berechnen, wenn eine konstante Landnutzung im Gebiet angenommen wird.

Der Einfluss und die Richtung des Einflusses von Klimavariablen auf die derzeitige Verbreitung von Heuschreckenarten variiert von Art zu Art. Kältetolerante Heuschreckenarten, wie Tetrix bipunctata (siehe Abbildung), Tettigonia cantans, und Euthystira brachyptera zeigen im Modell eine deutliche Abnahme der zukünftigen klimatischen Eignung im gesamten süddeutschen Raum. Nur wenige Gebiete in den Voralpen und Alpen sowie in den höchsten Lagen des Bayerischen Waldes und der Schwäbischen Alb sind voraussichtlich um 2050 noch klimatisch geeignet. Diese mögliche Entwicklung stimmt im Grundsatz mit der gegenwärtigen Verbreitung der Arten in Südeuropa überein, wo überwiegend nur die höheren und damit kühleren Lagen der Gebirge (z.B. Pyrenäen, Apenninen) besiedelt sind. Anders als bei Vögeln zeigen allerdings bisherige Bestandstrends bei Heuschrecken in Deutschland keine Übereinstimmung mit der potenziellen zukünftigen Bestandsentwicklung auf Basis von Klimaänderungen. Thermophile Heuschreckenarten sind ebenso stark von Bestandsverlusten betroffen wie kältetolerante Arten. Das kann bedeuten, dass andere Einflussfaktoren, wie die Intensität und Art der Landnutzung, für Heuschrecken eine relativ starke Rolle für die Bestandsentwicklung spielen. Ebenso könnten durch den Klima- und Landschaftswandel geänderte biotische Interaktionen, die z.B. die innerartliche Konkurrenz in Populationen erhöhen, sich negativ auf den Bestand von Populationen auswirken.

 

Die Untersuchungen wurden von der Universität Mainz durchgeführt.