Ergänzende Baumarten im Klimawandel

Je stärker der Klimawandel, umso mehr stoßen viele etablierte Baumarten zum Ende des 21. Jahrhunderts an die Grenzen des Wachstums und der Überlebensfähigkeit. Um dennoch größtmögliche Vielfalt und Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu erhalten, kann auch die Einbringung ergänzender (nicht-heimischer) Baumarten ein wertvolles Mittel sein. Dabei gilt es, die Risiken (Schaderreger, Invasionspotential) möglichst gering zu halten. Arten aus dem europäisch-asiatischen und nordafrikanischen Kontakt- und Übergangsbereich gelten als besonders vielversprechend. Aufgrund der Koevolution mit heimischen Gattungen können sich die neuen Arten mutmaßlich risikoarm in unsere Ökosysteme integrieren.

Auswahl ergänzender Baumarten

Doch welche Arten nehmen? Betrachtet man die im Folgenden dargestellte Auswahl, fällt auf, dass die betreffenden Baumarten oft Artbezeichnungen haben, die auf eine gewissermaßen nachbarschaftliche Herkunft verweisen. Adjektive wie französisch, italienisch, griechisch, bulgarisch, korsisch oder türkisch tauchen hier beispielsweise als Zusatz zu den Gattungsnamen auf. Die Gattungsbezeichnungen selbst hingegen - abies, pinus, acer, quercus u. a. - sind uns aus den heimischen Waldgesellschaften überwiegend bereits geläufig. Dies ist kein Zufall. Die Suche nach potentiell geeigneten ergänzenden Baumarten richtete sich gezielt an solchen Arten aus, die eine gute Integration in die hiesigen Ökosysteme erwarten lassen. Der südlich und südöstlich angrenzende Kontaktbereich an Mitteleuropa, in dem trockenere und heißere klimatische Bedingungen bei gleichzeitig weiterhin möglichen Winterfrostlagen herrschen, umriss dazu den Suchraum. Der bevorzugte Blick auf hierzulande schon bekannte Gattungen fokussierte das Artenspektrum.

Im Ergebnis liegt nun eine Liste von 16 Baumarten vor, für die eine differenzierte und wissenschaftlich abgesicherte Abschätzung ihrer potentiellen Eignung unter bestimmten Randbedingungen vorgenommen worden ist.

Potenziale von Laub- und Nadelbaumarten

Die zehn bewerteten Laubbaumarten finden bereits heute in weiten Teilen von Rheinland-Pfalz ein Klima vor, welches zu großen Teilen dem ihres natürlichen Verbreitungsgebietes entspricht. Die geringsten Übereinstimmungen sind bei dem Zürgelbaum (Celtis australis), der Silberlinde (Tilia tomentosa) und der Baumhasel (Corylus colurna) zu sehen. Für Silberlinde und Walnuss (Juglans regia) verschlechtern sich die Bedingungen in der Oberrheinebene, für alle anderen Laubbaumarten ist von einer gleichbleibenden oder zunehmenden Eignung bis Ende des Jahrhunderts auszugehen.

 

 

Von den sechs bewerteten Nadelbaumarten finden die Bulgarische Tanne (Abies borisii-regis) und die Libanonzeder (Cedrus libani) heute und auch im zukünftigen Klima in weiten Teilen von Rheinland-Pfalz sehr ähnliche klimatische Bedingungen vor wie in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet. Die heute schon guten Bedingungen für die Griechische Tanne (Abies cephalonica) verbessern sich im zukünftigen Klima noch. Bei der Atlaszeder (Cedrus atlantica) verbessert sich das gegenwärtig in den Mittelgebirgen noch zu kühle Klima. Für die Türkische Tanne (Abies bornmülleriana) und die Korsische Schwarzkiefer (Pinus nigra laricio) deutet die Bewertung auf eine rückläufige Eignung hin, so dass sie als ergänzende Baumarten nur an besonders geeigneten Standorten empfehlenswert sind.

Zur Bewertung der klimatischen Eignung wurde für jede Baumart ein Verbreitungsgebiet auf Basis von europaweiten Datensätzen definiert, wobei für jede Baumart eine Korrektur auf Kontinentalgrenzen und Höhenlagen erfolgte. Auf Basis des Datensatzes WorldClim2.0 wurden 13 klimatische Kenngrößen für das jeweilige Verbreitungsgebiet ermittelt und zu 16 Klimahüllen kombiniert. Die klimatische Eignung wurde in vier Kategorien anhand der Übereinstimmung mit dem Klima je Rasterzelle in Rheinland-Pfalz bewertet. Für das gegenwärtige Klima wurde dazu der Datensatz HYRAS des Deutschen Wetterdienstes verwendet. Für das zukünftige Klima wurde das vom „Bund-Länder-Fachgespräch Klimamodelldaten“ definierte Referenzensemble für Klimawandelstudien für das Szenario RCP8.5 (starker Klimawandel ohne ambitionierten Klimaschutz) verwendet.

Weiterführende Informationen zur Handhabung der Artensteckbriefe, zu Grenzen und zur Interpretation der Eignungsbewertungen sowie zur Methodik finden sich in folgenden Dokumenten:

 

Hilfsmittel zur Einbringung ergänzender Baumarten

Die mischungsweise Einbringung von ergänzenden Baumarten ist als Maßnahme zur Förderung der Anpassungsfähigkeit unserer Wälder im Klimastress zu verstehen. Details zum konkreten Vorgehen bei der Wiederbewaldung von Kahlflächen nach Schadereignissen finden sich in der landesspezifischen „Grundsatzanweisung Waldverjüngung im Klimawandel“ (Landesforsten, 2020). Zur Erleichterung der Einbringung wurden für die genannten ergänzenden Baumarten das Klima auf Basis ihres natürlichen Verbreitungsgebietes bewertet und literaturbasiert Informationen zusammengetragen. Diese stehen in Form von Steckbriefen für die Praxis zur Verfügung (siehe rechte Spalte). Die vollständigen Steckbriefe (Kürzel „lang“) umfassen neben der Bewertung der Baumarteneignung im zukünftigen Klima in Rheinland-Pfalz Einschätzungen zu folgenden Aspekten:

•    Ansprüche an die verschiedenen Standortfaktoren
•    waldwirtschaftliche Erfahrungen und Hinweise
•    Wuchs- und Ökosystemleistungen
•    Holzeigenschaften, Verwendungsmöglichkeiten und wirtschaftliches Potential
•    biotische und abiotische Risiken
•    Potentiale für Naturschutz und Biodiversität

Zur einfacheren Handhabung für die Praxis sind die wichtigsten Informationen jeweils zusätzlich in einer kompakten Kurzfassung dargestellt (Kürzel „kurz").