Waldnaturschutz im Klimawandel

Der Wald in Rheinland-Pfalz enthält eine Vielzahl an naturschutzfachlich wertvollen und geschützten Flächen, die sich durch eine besondere Arten- und Lebensraumvielfalt auszeichnen. Infolge des Klimawandels – insbesondere durch Temperaturanstieg, Veränderung der Niederschläge und häufiger auftretende extreme Witterungs- und Wetterereignisse – wird erwartet, dass viele Standorte deutliche Veränderungen erfahren. Lebensräume und Arten könnten in ihrer Zu­sammensetzung und Dynamik erheblich beeinflusst werden. Die Studie "Waldnaturschutzobjekte im Klimawandel. Grundlagen für Anpassungsoptionen" (2016) zielte darauf ab, Informationen über die mögliche Betroffenheit von naturschutzrelevanten Waldlebensräumen von Rheinland-Pfalz im Zuge des Klimawandels bereitzustellen. Auf Basis der Projektion der Klimaentwicklung bis zum Ende des Jahrhunderts und der daraus resultierenden Standortveränderung sollte evaluiert werden, welche Waldnaturschutzobjekte bzw. Waldlebensräume landesweit am stärksten vom Klimawandel betroffen sein können. Eine Abschätzung der Dynamik bzw. Vulnerabilität von waldspezifischen Naturschutzobjekten ist ein Beitrag zur Anpassung von Pflege-/ Entwicklungszielen im Arten- und Biotopschutz.

Der methodische Ansatz und die erzielten Ergebnisse basierten auf dem Versuch, die Besonderheiten von Naturschutzobjekten auf regionaler Ebene über sogenannte Lebensraum-Cluster zu typisieren, um die mögliche Dynamik von geschützten Waldlebensräumen im Klimawandel einschätzen zu können. Mit einem Top-Down-Ansatz wurde ausgehend von der Gesamtheit der aktuellen Naturschutzobjekte in Rheinland-Pfalz wie folgt vorgegangen:

  1. Auswahl der Objekt-Kulissen: Zunächst wurden aus der Gesamtheit aller Naturschutzflächen diejenigen ausgewählt, die einen Waldcharakter aufweisen und die gesetzlich besonders geschützt sind. Nach dieser Vorauswahl wurden nach unterschiedlichen Kriterien und basierend auf verschiedenen Datenquellen drei Objekt-Kulissen generiert. 
  2. Typisierung von Lebensraum-Clustern: Zuordnung bzw. Gruppierung der Objekt-Kulissen nach Waldtypen, Standortseigenschaften und Klimabedingungen innerhalb der Objekt-Kulisse zu regional zusammenhängenden Einheiten (die ihrerseits mehrere Naturschutzobjekte umfassen können). 
  3. Einschätzung der Klimawandel-Betroffenheit: Die Einschätzung wurde anhand von Klassifikationen bestimmter Einflussgrößen mit Hilfe von Experteneinschätzungen vorgenommen. 
 

Anhand der landesweiten Biotopkartierung (LANIS) wurden innerhalb der betrachteten Kulissen von Waldnaturschutzobjekten 26 Waldtypen mit einer Gesamtfläche von ca. 36.000 ha identifiziert. Der häufigste Waldtyp war mit 34 % der Buchen-Eichen-Mischwald, gefolgt von Hainbuchen(-Eichen-Misch)wäldern mit einem Anteil von 25 %. Der Anteil an Wäldern, an denen die Eiche beteiligt ist, war deutlich ausgeprägt; sie bilden gemeinsam mit den Kiefernwäldern einen Schwerpunkt auf Trockenstandorten. Auch Moor- und Bruchwälder sind waren mit 6 % der Fläche repräsentiert. 

 

Für eine systematische Klassifizierung der Lebensräume wurden Experten herangezogen, die anhand der möglichen Größenordnung der standörtlichen Veränderungen und des Grades der möglichen Resilienz die betrachteten Waldtypen eingeschätzt haben. Drei bzw. fünf Hauptentwicklungen für eine mögliche Dynamik der Waldtypen wurden ermittelt.

 

Über die gesamte Landesfläche verteilt wies mehr als die Hälfte der betrachteten Waldlebensräume eine Stabilität (Stufen I und IA) gegenüber dem Klimawandel auf. Auf ca. 40 % der Fläche war bei den Stufen II und IIA eine Dynamik anzunehmen, ohne dass sich die Lebensraumausstattung deutlich ändern würde. Viele Naturschutzobjekte im Pfälzerwald, im Soonwald und in der Rheinebene fallen in diese Kategorien. Die eher „konservative“ Experteneinschätzung führte dazu, dass nur ein geringer Anteil an Lebensraum-Clustern mit einer Vulnerabilität (Stufen III) gegenüber dem Klimawandel charakterisiert wurde. Die ca. 2.600 ha auf diese Weise eingestuften Flächen haben ihre räumlichen Schwerpunkte in den Bereichen des Oberrheins, des Nordpfälzer Berglandes und des Neuwieder Beckens. Rund 90 % der hier betrachteten Objekte befinden sich innerhalb des landesweiten Biotopverbundsystems, nur ca. 100 ha sind außerhalb dieses Netzwerks. 

Die gewonnenen Erkenntnisse wurden im Rahmen eines Werkstattgespräches mit Experten auf ihre Bedeutung und Praxisanwendung geprüft. Im Ergebnis konnte festgehalten werden, dass zahlreiche Waldnaturschutzobjekte künftig durch klimatische und standörtliche Veränderungen beeinflusst sein können, welche zu einer neuen Dynamik in den Lebensräumen und in den Lebensgemeinschaften führen kann. Die Vulnerabilität der Lebensräume ist stark von der gegebenen Resilienz der Waldformen abhängig. Infolge dessen können feuchtegeprägte Waldbiotope als vulnerabel gelten, während Trockenwälder eine höhere Resilienz aufweisen und in der Fläche zunehmen könnten. Die Einstufung zur Einschätzung der Dynamik der Lebensräume und zur Differenzierung azonaler Lebensräume kann bei der Festlegung von Handlungsprioritäten für Anpassungsoptionen hilfreich sein. Aufgrund der Vielfalt an Lebensräumen sowie der Unsicherheit bezüglich des Klimawandels sind folgende Aspekte für die Gestaltung des Waldnaturschutzes in Rheinland-Pfalz von Bedeutung:

  1. die Regulierung von Wildbeständen, um die natürliche evolutive Reaktion von Arten und Lebensgemeinschaften über die natürliche Verjüngung zu ermöglichen;
  2. die Sicherung eines umfassenden Netzes von Schutzgebieten bzw. naturnahen Wäldern, welche die Lebensraumvielfalt repräsentieren; 
  3. eine langfristig ausgerichtete Gestaltung von Strategien und Planungen, die eine flexible Entwicklung bzw. Reaktion von Naturprozessen im Lauf der Zeit erlauben.